Radlhund hilft Tierschutz

Radlhund hilft Tierschutz

4. Oktober 2023

Vor Ort in Bosnien

Gerade bin ich aus Bosnien und Kroatien zurück gekommen und es brennt mir unter den Nägeln, meine Erlebnisse und Fotos an dieser Stelle zu teilen. Es gibt so viel Tierleid in den Ländern des Ostens und Südens. Wer selbst einen ehemaligen Straßenhund aufgenommen hat (Napoli stammt - der Name ist Programm - von den Straßen Neapels), dem bricht das Herz. Am tiefsten hat mich berührt, dass für viele vergessene Streuner das Fressen erst an zweiter Stelle stand. Wichtiger war ihnen Aufmerksamkeit, ein paar Streicheleinheiten, wenige liebe Worte.

Die Mülldeponie bei Bihac: viel Zeit ist nicht für individuelle Zuwendung, zu viele Hunde sind es
Zwischen Abfall und Hitze - wer Tiere liebt, kann sich kaum darauf beschränken, nur Futter und Wasser auszuteilen. Und doch ist jede Zuwendung zu kurz.
Es tut weh, die Hunde zurück lassen zu müssen. Sie laufen, viele humpeln, dem Auto hinter her. Es geht nicht um's Futter. Es geht um menschliche Nähe. Nicht nur kräftemäßig, auch emotional leisten die Ehrenamtlichen Großes.

Ich beginne meinen Text aus dem Bauch heraus mit meiner zweiten Station, der Stadt Bihac. Hunderte Hunde leben in der Stadt und auf der Mülldeponie einige Kilometer außerhalb. Oder um die Deponie herum. Denn Straßenhunde leben nicht in friedlichen Rudeln. Viele werden gemobbt und müssen ihr Überleben alleine versuchen. Sie liegen an viel befahrenen Straßen, laufen durch die Stadt auf der Suche nach Essbarem, schlafen in verlassenen Gebäuden. Sie werden manchmal geduldet, meistens aber vertrieben. Ins Stadtbild gehören sie wie Ratten an Mülltonnen - sie sind aus sicht der Menschen ebenso unsauber und unerwünscht. Von diesen Hundebegegnungen habe ich gar keine Fotos machen können weil sie mich viel zu sehr in Anspruch genommen haben. Immer habe ich versucht, die Hunde zu füttern und obwohl sehr scheu, war der Hunger größer als die Angst vor dem Menschen.

Mehrere Organisationen teilen sich die Versorgung der Streuner mit dem Nötigsten. Ich selbst war in Kontakt mit dem Verein der Niemandshunde-Bihac und habe eine Fütterung begleitet. Vieles hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Ein wenig verklärter, muss ich zugeben. Auf die Prügeleien aus Futterneid war ich zum Beispiel gar nicht vorbereitet. Oder darauf, dass viele Hunde humpeln oder andere Wunden tragen.

Eine ganze Wagenladung voll Futter und Wasser ist für jede Fütterung nötig.
Weil das Geld oft nicht reicht, wird auch trockenes Brot verteilt.
Welpen erhalten einen besonderen Brei, auf den auch die anderen scharf sind.
Improvisiert wird in jeder Hinsicht.

Die Ehrenamtlichen schleppen schwer, um die verschiedenen Futterstellen zu befüllen. Gleichzeitig wird grob nach dem Rechten geschaut. Gibt es neue Hunde? Fehlt einer? Sind die Hütten einigermaßen in Ordnung?

Mir wurde berichtet, dass viele der Hunde Namen haben und das Fehlen eines Tieres sehr wahrscheinlich bemerkt werden würde. Unvorstellbar für mich bei der Anzahl der Fellnasen, die für mich oftmals gar nicht zu unterscheiden waren.

Auch war ich erstaunt über die Menge an Futterplätzen, die sich auf dem riesigen Areal verteilen. Im Winter werden die Staubstraßen nicht geräumt und die Versorgung ist immens schwierig. Mit Schlitten werden die kiloschweren Säcke dann gezogen. Ja, und was ist eigentlich mit dem Wasser? Das friert doch ein. Diese Frage habe ich gar nicht gestellt und ich will mir das Elend gar nicht ausmalen.

Die Hütten wurden von den Organisationen errichten und werden von ihnen instand gehalten.
Im Sommer kaum genutzt, bieten die Hütten in der nassen und kalten Jahreszeit Unterschlupf.
Verbaut wird alles, was irgendwie verwendbar ist.
Welpen haben kaum eine Chance auf der Deponie. Im Fall dieser Kleinen kümmert sich die Hundemama gut. Doch andere, die solchen Schutz nicht genießen, werden gnadenlos gemobbt.

Jeder Hund soll kastriert sein. Die Organisation Dog's Trust hat in Bihac diesen Part der "Versorgung" übernommen. Als Zeichen erhält der Hund eine Ohrmarke.

Eigentlich meint man, das Elend müsste damit einmal ein Ende haben. Doch wurde mir berichtet, die "Zuwanderung" von Außen sei groß. Tiere werden gezielt dort entsorgt, wo Tierschützer bekannt sind.

Für mich gar nicht vorstellbar. Auf den vielen Kilometern durch Bosnien habe ich außer den Straßenstreunern wenige Hunde gesehen. Weder an der Kette noch im Garten und schon gar nicht an der Leine. Wo kommen die Tiere her, wenn doch niemand wirklich Hunde hält?

Weil Hunde so unbeliebt sind, ist es für die Organisationen schwer, Pflegeplätze zu finden oder Shelter zu unterhalten. So richtig verstanden habe ich ohnehin nicht, welche Hunde nun sich selbst überlassen werden und welche das Glück haben, auf einem Pflegeplatz oder in einem Shelter zu landen. Wobei man von "Glück" auch nur in den seltensten Fällen sprechen kann. Nämlich nur dann, wenn der Aufenthalt im Hundeasyl ein kurzer auf dem Weg in die Vermittlung ist.

Die Niemandshunde finanzieren derzeit einen großen Pflegeplatz und mehrere kleine.

Die Ranch der Ankerhunde

Meine erste Anlaufstelle in Bosnien war der Shelter der Ankerhunde e.V. Im Vergleich zu Bihac herrschen hier für die Hunde nahezu paradiesische Verhältnisse weil man Tierschutz par excellence betreibt. Doch Achtung! Das soll jetzt nicht so klingen, als hätte dieser Verein nicht auch jeden Euro bitter nötig. Gemeint ist eine unprätentiöse Haltung, gepaart mit ganz viel Erfahrung, unermüdlichem Einsatz, großer Kreativität und nach ökonomischen Grundsätzen.

Zum einen hat man es dort geschafft, zwei zutiefst tierliebe und engagierte junge Frauen zu beschäftigen. Sie haben nicht nur ein absolutes Händchen für die Hunde, sie können diese auch einschätzen. So steht die Vermittlung auf sauberen Füßen und den Hunden geht es gut weil sie den Freiraum erhalten, der möglich ist.

Einige der Fellnasen leben ohnehin außerhalb des Geländes und sind dennoch Ankerhunde. Werden also gefüttert, versorgt, vermittelt.
Ich bin mit vielen Hunden Gassi gegangen, um Fotos zu schießen und den Hunden Abwechslung zu bieten. Meistens hieß es "you don't need a leash". Weil der Vierbeiner ohnehin nicht weg gelaufen wäre.

Momentan entsteht auf dem Gelände ein Gebäude, das noch vor dem Winter bezugsfertig sein soll. Darin wird einmal die eigene Quarantänestation untergebracht. Dass Bosnien nicht Mitglied der EU ist, erschwert den Tierschützern vieles. Die Einfuhr von gutem, deutschem Futter wäre zollpflichtig, ob gekauft oder gespendet. Vor Ausreise müssen die Hunde für drei Wochen in eine entfernt gelegene Quarantänestation, die ordentlich Geld kostet. Selbst Besucher müssen Acht geben, was sie nach Bosnien "schmuggeln".

Wie ging es mir und Napoli in unseren fast zwei Wochen Tierschutz in Bosnien? Napoli saß fast nur im Auto und hat jeden Hund verbellt, der sich diesem näherte. Das hat ganz schön gestresst und das nächste Mal fahre ich ohne meinen kleinen Freund. Ich wurde bei allen Tierschützern sehr freundlich aufgenommen. Alles war neu, emotional und dadurch anstrengend für mich. Nun bin ich enorm motiviert, zu helfen, wo ich kann.

Frau Eichhoff bei der Arbeit 🙂
Nichts war vor den kleinen Kröten sicher
War schwierig, keinen Hund mitzunehmen